Dies ist eine Bibliographie der deutschen Almanache und Taschenbücher, die neben der Erfassung der Reihen und ihrer Jahrgänge die Inhalte selbst erkennbar macht. In der Regel werden folgende Merkmale erfaßt und sind in verschiedenen Suchabfragen und Listen abrufbar:
Erfaßt werden in erster Linie die literarischen Taschenbücher, die von 1770 bis etwa 1870 erschienen sind. Angesichts der raschen modischen Entwicklung des Almanachwesens, das sich schnell auf viele und auch entlegene Themengebiete ausdehnte, ist eine klare Abgrenzung der literarischen zu anders ausgerichteten Erscheinungen schwierig und wird von uns nicht angestrebt. Vielmehr sind wir bemüht, das ganze Spektrum des Almanachwesens sichtbar zu machen, und wir nehmen ebenfalls, wenn auch zunächst nur ausgewählt und nicht vollzählig, unliterarische Taschenbuchreihen auf, die wir zumeist allerdings nicht in inhaltlicher Aufgliederung, sondern nur unter dem Titel bibliographieren, unter Beifügung einer kurzen allgemeinen Beschreibung. Graphische Darstellungen in solchen Reihen sollen jedoch ebenfalls bildlich aufgenommen werden, sofern sie nicht als vergleichsweise unbedeutend erscheinen.
Ausgegegrenzt bleiben die eigentlichen Land- und Volkskalender, die vorwiegend im Quart-Format, im Verlauf des 19. Jahrhunderts zunehmend aber auch im Oktav-Format erschienen sind.
Das Vorhaben wird von der THEODOR SPRINGMANN STIFTUNG betrieben und greift zunächst auf deren umfangreichen Sammlungsbestand zurück, im weiteren Verlauf werden wir auf die Einbeziehung anderer Bibliotheken nicht verzichten können; vielfach wird es auch nötig sein, Mängel und Fehlstellen einzelner vorhandener Stücke zu ergänzen.
Wir bitten um Anregungen und Korrekturen. Auch Hilfen durch methodische bibliographische Aufnahmen sind hochwillkommen und tragen zur Verkürzung des langwierigen Verfahrens bei. Hierzu können entsprechende Formulare bei uns angefordert werden.
Das Inhaltsverzeichnis der deutschen Almanache wird erarbeitet von Wolfgang Binnig und Martin Sietzen und herausgegeben von Adrian Braunbehrens.
Seit Kalender geschrieben und gedruckt wurden, finden wir sie verquickt mit anderen Momenten der Jahreszeitlichkeit. Hierzu zählen astronomische und astrologische Angaben, die Nennung guter und böser Tage, praktische Regeln zu den Jahreszeiten und ihrer Witterung und nicht zuletzt Texte zu musischem und geselligem Zeitvertreib. Dies führte zur Ausbildung besonderer Typen, die einzelne dieser Momente ausführlicher vorstellten. Zu den eigenartigsten und reizvollsten zählen die poetischen Musenalmanache und literarisch unterhaltenden Taschenbücher. Ihre Epoche begann in Deutschland – französischen Vorbildern folgend – um 1770 und endete gegen 1848. Sie wurden zur wohl hübschesten und zugleich langlebigsten Modeerscheinung auf dem deutschen Buchmarkt.
In Paris erschien 1765 der ALMANACH DES MUSES OU CHOIX DE POÉSIES FUGITIVES, eine Blütenlese neuerer Dichtung, dessen Reihe sich in jährlicher Ausgabe bis ins 19. Jahrhundert fortsetzte. Er fand alsbald auch in Deutschland Beachtung und zum Jahr 1770 erschien, herausgegeben von Heinrich Christian Boie und verlegt von J. C. Dieterich der GÖTTINGER MUSENALMANACH. Klopstock zählte neben vielen anderen zu seinen Beiträgern. Der 1772 gegründete Göttinger Dichterbund fand in ihm ein Organ. Johann Heinrich Voss übernahm 1774 für kurze Zeit die Redaktion, begann indes 1776 in Hamburg mit einem eigenen Musenalmanach, der nun – in recht ähnlichem Erscheinungsbild – neben dem Göttinger bestand. Von diesen Keimzellen aus entwickelte sich in Deutschland ein literarisches Almanach- und Taschenbuchwesen, das in viefältiger Unterschiedenheit eine kaum übersehbare, nach Tausenden zu zählende, oft kurzlebige, teils auch in langen Jahresreihen sich fortsetzende Fülle hervorbrachte. Die Epoche des literarischen Taschenbuches war zugleich eine Hochzeit dichterischer Entfaltung in Deutschland, in den Höhen neuer Findung ebenso wie in den Senken der Trivialität; und es war eine Periode umfassender sozialer Veränderungen. Das Taschenbuch als gesellschaftliche Modeerscheinung und seine Wandlungen stehen in engem Bezug zu diesen Entwicklungen.- Eine umfassende Geschichte des Taschenbuches unter ausführlicher Berücksichtigung dieser Bezüge ist noch nicht geschrieben worden.
Die Mannigfaltigkeit des periodischen Taschenbuches zeigt so viele Facetten, daß es schwer hält, eine beständige Gattung auszumachen. Beschreiben lassen sich wiederkehrende Einzelmerkmale, die in unterschiedlicher Häufung, kaum aber in ihrer Gesamtheit beim jeweiligen Exemplar vorkommen. Unsicher ist schon die Verwendung der Ausdrücke ALMANACH und TASCHENBUCH oder auch KALENDER; sie überschneiden sich großenteils, ohne sich ganz zu decken. Es könnte sich empfehlen, im Taschenbuch den Oberbegriff zu sehen, wenn nicht heutzutage unter dem Taschenbuch eine ganz andere Produktform des Buches bezeichnet wäre.
Das Wort ALMANACH (arabischen Ursprungs) ist eine Bezeichnung für Kalender, und mit dem Kalender hat das hier dargestellte Taschenbuch die angelegte Jährlichkeit gemein, auch wenn so manche Erscheinung über den ersten Jahrgang nicht hinauskommt. Oftmals, aber keineswegs immer und immer seltener werdend, ist ein Kalender dem Textteil vorgebunden. Regional erhobene Kalender-Stempelsteuern konnten hier prohibitiv wirken. Einige besonders erfolgreiche Almanache erfuhren noch Jahre nach dem Erstdruck Folgeauflagen, in denen dann der überflüssig gewordene Kalender, nicht jedoch die ursprüngliche Jahresdatierung, entfallen konnte. – Seiner Entwicklungsgeschichte nach ist das Taschenbuch durchaus vom Kalender herzuleiten, aber es emanzipiert sich gleichsam von diesem und läßt seine Herkunft vergessen. Was bleibt ist die Taschenhandlichkeit des Formates: Sedez oder Duodez, seltener Octav (aber auch hierzu in der Spätzeit die seltene Ausnahme des Großoctav). Und es scheint, daß die Almanache, Kalendern gleich, meist keinen Ruheplatz in den Bücherschränken gefunden haben, sondern zur Hand genommen und vernutzt wurden; die bis heute erhalten gebliebenen Exemplare sind nicht selten ramponiert, zum Schaden für den zierlich gestalteten Einband.
Welche Art von Texten füllte die Almanache und Taschenbücher? Anfangs war es Lyrik, sehr bald aber, als die Mode grassierte: quodlibet, alles was beliebt; unterhalten sollte es, in Spaß oder Ernst. Nur selten mischt Belehrendes sich ein, im Unterschied zum größer formatierten aber sehr viel schmaleren Land- oder Volkskalender. Sieht man in das Register der vorzüglichen Geschichte der deutschen Taschenbücher und Almanache aus der klassisch-romantischen Zeit von LANCKORONSKA und RÜMANN, so findet man schon in den Titeln die Hinweise auf jede nur denkbare Art von Adressaten und zugehörigen Inhalten: Wanderer, Reiter, Bienenfreunde, Künstler, Scheidekünstler und Apotheker, Liebende, Tollhäusler, Ketzer, Ärzte und Nichtärzte, Charadenfreunde, Kaufleute, Lottospieler u.v.a.m.. Vor allem aber wird die Weiblichkeit angesprochen, seien es Frauenzimmer oder Damen, Dienstmädchen, das Schöne Geschlecht, Kammerjungfern, Grabennymphen, Edle Weiber und Mädchen. Selbst wenn es der Titel nicht verrät, ist öfter an die Leserin gedacht als an den Herrn, sie hatte wohl mehr gesellige Muße, und sie war der gemeinte Empfänger des hübschen kleinen Geschenks. Denn zum Schenken war er bestimmt und dazu fügte sich der Erscheinungstermin zur Michaelismesse, rechtzeitig zu Weihnachten und Neujahr.
Schwerpunkt der bibliographischen Erfassung und inhaltlichen Erschließung sind zunächst die literarischen Almanache – ungeachtet ihres Niveaus. Sie sind Versammlungsort nicht nur der Großen, sondern vorzüglich derjenigen Dichter und Prosaisten, deren Schriften heute – zu Recht oder zu Unrecht– vergessen sind, die aber aus manchen Gründen gelegentlich doch in den Blick des Interesses rücken. Das Verzeichnis soll sie, die bislang nur unter Schwierigkeiten aufzufinden waren, zugänglich machen. Besonders wichtig, weil eine Wahrnehmungslücke füllend, erschien uns daneben die Registrierung der Zeichner und Stecher, deren Graphiken wir als Vollbild wiedergeben wollen. Daß gerade in diesem Bereich die vorliegenden Exemplare oft unvollständig sind, führt gelegentlich zu Fehlstellen in unserer Darstellung (die aber auf Dauer geschlossen werden); es unterstreicht zugleich die Notwendigkeit des gesetzten Ziels. Indes werden nicht nur die Vorlagen Mängel aufweisen, auch in der Bearbeitung werden unvermeidbar Fehler entstehen. Wir bitten aufmerksame Benutzer, uns hierüber zu informieren und dadurch zur Besserung zu verhelfen.
Auf längere Sicht sollen alle periodisch angelegten Almanache und Taschenbücher des 18. und 19. Jahrhunderts aufgenommen werden, um das gesamte Spektrum dieser Publikationsart sichtbar zu machen. Im nicht-literarischen Bereich werden wir uns jedoch zumeist beschränken auf die bibliographische Registrierung und eine kurze Beschreibung der Einzelbände und wir werden hierbei auf die ausführliche Inhaltsübersicht verzichten und uns mit der Wiedergabe eines Inhaltsverzeichnisses begnügen.
Grundsätzlich ist Voraussetzung unserer bibliographischen Erfassung die Autopsie des Einzelemplares. Dies schützt indes nicht immer vor Verwirrung: Variante Doppeldrucke (etwa bei unbezeichnetet Folgeauflagen oder nach Zensureingriffen), fehlende Blätter und andere Fehlerquellen sind nicht in jedem Fall wahrnehmbar. Auf alles auffällig Sonderliche wird anmerkend hingewiesen. Um uns möglicher Vollständigkeit anzunähern, behalten wir uns vor, im Einzelfall auch ohne Autopsie nach bibliographischen Vorgaben aufzunehmen; wir werden dies jedoch immer unter Nennung der Quelle ausdrücklich anmerken.
Adrian Braunbehrens